Die Kund*innen im Mittelpunkt – 16 Jahre ISO-Zertifizierung der Stadtbibliotheken Dormagen und Neuss
Autorin: Claudia Büchel, Leiterin der Stadtbibliothek Neuss
Auf Einladung der damaligen Fachstellen in den Regierungsbezirken Düsseldorf und Köln trafen sich im Jahr 2001 zum ersten Mal interessierte Bibliotheken zu einer Informationsveranstaltung zum Thema Qualitätsmanagement (QM). Zu dieser Zeit war das Thema QM relativ virulent in der Privatwirtschaft, während es im öffentlichen Sektor noch wenig verbreitet war. Die Bibliotheken betraten hierbei Neuland –lange bevor Zertifizierungen in Volkshochschulen oder Kindertageseinrichtungen etabliert wurden.
Was QM aber tatsächlich ist und welche gravierenden Änderungen sich hierdurch auch langfristig ergeben würden, war vermutlich den wenigsten der anwesenden Bibliotheksleitungen bewusst. Nachdem die ersten Bibliotheken bereits wieder abgesprungen waren, gründeten 16 Interessierte eine Arbeitsgruppe unter Leitung von Petra Büning (Bezirksregierung Düsseldorf) und Brigitte Klein (Bezirksregierung Köln). Zielsetzung war es, durch den Aufbau eines QM-Systems eine Entlastung im Arbeitsalltag zu schaffen, um Fragen wie z.B. „Wie wurde das geregelt?“ oder „Haben wir das nicht schon diskutiert“ zu minimieren. Das Handeln sollte zukünftig faktenorientiert gesteuert werden, für gleiche Fakten sollten identische Handlungsmuster entwickelt werden, damit insgesamt mehr Zeit auf die Interessen der Kund*innen gerichtet wird.
Der Aufbau eines QM-Systems ist zeit- und personalintensiv – das lässt sich nicht fortdiskutieren – und so reduzierte sich die Zahl der beteiligten Bibliotheken weiter. 2004 entschieden dann acht Bibliotheken, sich einer Gruppenzertifizierung auf Grundlage der ISO-Norm zu unterziehen. Begleitet wurde der Prozess durch Einbindung des externen Beraters Markus Dönni , der den Bibliotheksleitungen verschiedene Zertifizierungsmodelle vorstellte und den damit einhergehenden Arbeitsaufwand sowie Nutzen aufzeigte. Die Entscheidung fiel zu Gunsten der ISO-Norm 9001 aus, weil es sich hierbei um eine weltweit gültige Norm handelt, die überall anerkannt ist und eine positive Außenwirkung hat. Zu diesem Zeitpunkt gab es bundesweit zwei weitere öffentliche Bibliotheken (Walldorf und Freiberg am Neckar), die auf Grundlage der ISO-Norm 9001 zertifiziert waren und im Rahmen von Workshops wichtige Impulse an den Verbund weitergaben.
Da eine sogenannte Gruppenzertifizierung (Matrixzertifizierung) kostengünstiger als eine Einzelzertifizierung war, entschieden nunmehr sieben Bibliotheken, einen QM-Verbund zu gründen, der mit seiner virtuellen Zentrale sowie den beteiligten „Zweigstellen“ auf Grundlage der ISO-Norm 9001 zertifiziert werden sollte. Ohne Gründung des Verbundes und Einrichtung einer virtuellen Zentrale wäre eine kostenreduzierte Gruppenzertifizierung nicht möglich gewesen. Die Zentrale, das sogenannte Lenkungsgremium, bestand aus mindestens einer Vertreterin oder einem Vertreter pro Bibliothek sowie Frau Klein und Frau Büning aus den Fachstellen. Den Vorsitz übernahm Petra Büning bis zum Jahr 2008.
Der Weg bis zur erstmaligen Zertifizierung gestaltete sich durchaus steinig und arbeitsintensiv, denn für alle Arbeitsprozesse waren Beschreibungen zu erstellen, die für alle Bibliotheken galten und zusätzliche individuelle Anpassungen waren von jeder Bibliothek zu dokumentieren. Für die allgemein gültigen Prozessbeschreibungen galt es, mindestens 80% Übereinstimmung aller beteiligten Bibliotheken zu erreichen. Die damit verbundenen Diskussionen waren legendär und prägen immer noch die Erinnerung. Den Vertreterinnen der Fachstellen kam dabei die wichtige Funktion zu, die Diskussionen zu lenken und das Ziel im Auge zu behalten.
Um das QM-Gerüst aufzubauen, trafen sich die Verbundbeteiligten in den beiden folgenden Jahren ca. alle zwei Monate, meistens in der Stadtbibliothek Neuss, da es hier einen entsprechend großen Besprechungsraum gibt. Sobald die allgemein gültige Beschreibung für einen Prozess verschriftlicht war, galt es vor Ort, die individuellen Anpassungen vorzunehmen. Hierdurch entstand ein umfangreicher Katalog an Beschreibungen für die übergeordneten Managementprozesse (Strategie, Analyse und Verbesserung, Zufriedenheitsmanagement) die Kernprozesse (Lektorat, Ausleihverwaltung, Infodienst, Veranstaltungen und Öffentlichkeitsarbeit) und die unterstützenden Prozesse (Katalogisierung, technische Medienbearbeitung, Ausleihunterstützung, Mahnwesen, Personal, Infrastruktur, Dokumentation). Wertvoll waren die intensiven Diskussionen jedoch nicht nur im Lenkungsgremium, sondern auch in den Bibliotheken selber. Die kontinuierliche Beschäftigung mit den Arbeitsprozessen löste vielfach Veränderungen aus, bestehende Arbeitsvorgänge wurden kritisch hinterfragt, neu strukturiert, manche Tätigkeiten entfielen oder wurden ersetzt. Der kontinuierliche Verbesserungsprozess – ein Wesensmerkmal des QM – war eingeleitet und führte zu unerwarteten Veränderungen.
Um die Anforderungen an die ISO-Norm zu erfüllen, entwickelten die Bibliotheken ein gemeinsames elektronisches QM-Handbuch, eine QM-Politik und eine Satzung, die durch die Unterschriften der Bibliotheksleitungen oder Bürgermeister*innen einen offiziellen Charakter erhielten. Zur Steuerung der Prozesse wurden allgemein gültige Ziele definiert und ein verbundweites Statistiktableau mit Kennzahlen entwickelt, so dass ein Benchmarking untereinander möglich war. Die anstehenden Aufgaben wurden im Lenkungsgremium gleichmäßig auf alle beteiligten Bibliotheken verteilt. Grundsätzlich galt bei Abstimmungen, dass jede Bibliothek eine Stimme hat, unabhängig davon, wie groß oder klein die Bibliothek ist. In dieser arbeitsreichen Zeit galt es vor Ort, die Mitarbeitenden einzubinden und mitzunehmen. Dies gelang meistens dann gut, wenn die Verantwortlichen vor Ort die Beschreibungen „ihrer“ Prozesse formulierten und dabei durchaus auch Veränderungen ableiteten.