Kriminalroman von Patricia Melo: der Nachbar, Copyright dzb lesen

Zum Tag der Legasthenie 2023

Ein Beitrag von Liane Völlger (Deutsches Zentrum für barrierefreies Lesen)

Legasthenie, auch als Lese-Rechtschreib-Schwäche bekannt, kann Menschen jeden Alters betreffen. Präsent wird Legasthenie meist mit dem Eintritt des Kindes in die Schule, wenn Lesen, Schreiben und Rechtschreiben erlernt werden sollen. Das Kind kann Buchstaben nicht erkennen oder verwechselt diese. Wörter werden nicht verstanden oder falsch geschrieben. Frustration und ein Rückstand in den schulischen Leistungen sind meist die Folge.

Was ist Legasthenie?

Das Hauptmerkmal der Legasthenie ist eine „umschriebene und bedeutsame Beeinträchtigung in der Entwicklung der Lesefertigkeiten, die nicht allein durch das Entwicklungsalter, Visusprobleme oder unangemessene Beschulung erklärbar ist.“[1]

Betroffene Kinder haben oft Probleme beim Lesen von Texten. Das Schreiben von Wörtern kann ebenfalls Schwierigkeiten bereiten. Die schulischen Leistungen liegen hinter denen der Gleichaltrigen, was häufig sehr frustrierend für das einzelne Kind ist und das Selbstwertgefühl verringern kann. Die Frustration und die Schwierigkeiten in der Schule können zu emotionalen Belastungen führen.

Eine Lese- und/oder Rechtschreibstörung ist nicht heilbar. Frühzeitig und gezielt therapiert können Lesen und Schreiben deutlich verbessert und der Verlauf einer Legasthenie positiv beeinflusst werden. Auch im Erwachsenenalter kann eine Legasthenie-Therapie noch sinnvoll sein.[2]

Hörbücher und Bücher mit großer Schrift als Alternative

In einer Welt, die vom geschriebenen Wort durchdrungen ist, ist die Fähigkeit Lesen und Schreiben zu können, besonders wichtig. Ohne diese Fähigkeit bleibt der Zugang zu Information, Bildung und Kommunikation verwehrt.

Das bedeutet aber nicht, dass diese Menschen von der Welt des Geschriebenen ausgeschlossen werden. Um Menschen mit Legasthenie zu helfen, können Hörbücher und Großdruckbücher eine gute Alternative sein.

Menschen mit Legasthenie profitieren von Büchern in Großdruck, da eine größere Schrift das Lesen erleichtert. Es geht eben nicht nur darum, was geschrieben wird, sondern auch darum, wie und worauf es geschrieben wird. Die Wahl der Schriftart, des Layouts und der Farben kann einen erheblichen Unterschied für Menschen mit Legasthenie machen. Es gibt speziell Legasthenie-freundliche Schriftarten. In der Regel werden Schriften empfohlen, die ohne Serifen auskommen. Auch die Gestaltung des Textes kann das Lesen vereinfachen. Von Vorteil ist die Verwendung des Flattersatzes, genügend große Abstände zwischen Worten und Zeilen und eine übersichtliche Strukturierung des Textes mit Hilfe von Überschriften und Absätzen. Der Einsatz von Kontrasten und die bewusste Farbwahl tragen weiter dazu bei, den Text deutlicher hervorzuheben. Bilder, gerade in Kinderbüchern besonders wichtig, sollten nicht nur schön sein, sondern auch eine Geschichte erzählen und den Text illustrieren. Das weckt Interesse und Freude am Lesen.

Hörbücher sind eine weitere großartige Möglichkeit, Menschen mit Legasthenie den Zugang zu Literatur und Informationen zu erleichtern. Indem sie den Text hören, können sie sich auf den Inhalt konzentrieren, ohne sich mit den Leseschwierigkeiten auseinandersetzen zu müssen.

Die Welt der Buchstaben und Wörter ist manchmal wie ein Labyrinth, in dem man sich verirren kann. Für Menschen mit Legasthenie ist die Reise durch die Seiten eines Buches oft von Herausforderungen geprägt, die für andere schwer nachvollziehbar sind. Wenn das geschriebene Wort zur Hürde wird, werden Hörbücher zur Brücke über den Fluss des Unverständlichen. Sie vermitteln Texte und sind dabei wie magische Schlüssel zu einem Schatz an Geschichten. Sie öffnen Türen zu Welten, die sonst vielleicht nie betreten werden können.

Hörbücher schaffen die Gewissheit, dass Legasthenie kein Hinderungsgrund ist, die Schätze der Literatur und Fantasie zu genießen. Sie ermöglichen es, den Abenteuern von Sherlock Holmes zu folgen, mit Alice im Wunderland zu träumen und in die epischen Schlachten von Mittelerde einzutauchen, ohne sich von den Buchstaben entmutigen zu lassen.

Die Welt der Bücher hat viele Türen und es gibt immer einen Weg, diese Türen zu öffnen.

Das dzb lesen öffnet seine Türen!

Im Deutschen Zentrum für barrierefreie Literatur (dzb lesen) können Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit Legasthenie Bücher in Großdruck kostenlos ausleihen und kaufen bzw. Hörbücher ausleihen. Wer Interesse hat, kann sich im dzb lesen anmelden (https://www.dzblesen.de/anmeldung), in den Online-Katalogen recherchieren und die gewünschten Bücher bestellen. Sie werden dann direkt nach Hause geschickt bzw. können per dzb lesen-App heruntergeladen werden.


Weitere Informationen erhalten Sie auch auf unserer Internetseite https://www.dzblesen.de/bibliothek/grossdruck. Hier finden Sie eine Auswahl an Großdruckbüchern. Im Katalog für Hörbücher können Sie unter https://www.dzblesen.de/bibliothek/hoermedien stöbern.

Bei Fragen melden Sie sich bitte per Telefon: 03417113-116/-118 oder per E-Mail grossdruck@dzblesen.de.


[1] Lese- und Rechtschreibschwäche: ICD-10-GM Code F81.0 | Lese- und Rechtschreibstörung (icdcode.info), aufgerufen am 19.09.2023 

[2] Therapie Lese- und Rechtschreibschwäche: Legasthenie-Therapie | Lerntherapie bei Legasthenie | Ansätze – Bundesverband Legasthenie & Dyskalkulie e.V. (bvl-legasthenie.de), aufgerufen am 19.09.2023

Als dbv-Kommission »Kundenorientierte und inklusive Bibliotheksservices« konnten wir die 111. BiblioCon 2023 in Hannover durch verschiedene Veranstaltungen mitgestalten. Hier ein kleines Resümee unserer Aktivitäten: 

Vortrag »Taub aber nicht stumm – Gebärdensprache in Bibliotheken«

Gemeinsam mit der dbv-Kommission »Bibliotheken und Diversität« organisierten wir die Veranstaltung »Taub aber nicht stumm – Gebärdensprache in Bibliotheken«, die am 24. Mai 2023 stattfand. Damit gab es zum ersten Mal auf einem Bibliothekskongress eine Veranstaltung, die in Gebärdensprache durchgeführt und die simultan von zwei Gebärden-Dolmetscherinnen für das Publikum übersetzt wurde. Als Referentin konnte Katja Fischer von FISCHSIGN (http://www.fischsigns.de) gewonnen werden, die uns über gesetzliche Grundlagen, politische Ziele, praktische Erfahrungen und positive Beispiele aufklärte. So besteht oftmals für gehörlose und taubstumme Personen die erste Hürde bei der Nutzung einer Bibliothek darin, sich dort überhaupt anzumelden. Es gibt mittlerweile Einrichtungen, die Führungen für diese Zielgruppe anbieten, Oftmals entstehen diese Angebote, da sich einzelne Bibliotheksmitarbeiter*innen dieser Aufgabe aus persönlichem Interesse annehmen. Das sind meist Einzelfälle und institutionalisiert ist diese Anforderung für die Barrierefreiheit in Bibliotheken noch längst nicht. Eine Idee, die ebenfalls geteilt werden sollte, ist der von einigen Personen praktizierte Gebärdensprache-Trainingskurs mittels eines Bildungsurlaubes. Auch der Einsatz von tauben Expert*innen wird empfohlen, um an der richtigen Stelle anzusetzen und den Service für taubstumme und höreingeschränkte Personen zu verbessern. An der von Anne Sieberns (Deutsches Institut für Menschenrechte, Berlin) moderierten Veranstaltung nahmen etwa 80 Personen teil. Und schon nach wenigen Augenblicken der Veranstaltung war klar, dass es viel häufiger Angebote geben sollte, die auch taubstummen Menschen durch gedolmetschte Gebärdensprache zugänglich sein sollten. Insgesamt ist der Gehörlosenkultur mehr Aufmerksamkeit – sei es in Bibliotheken, sei es im gesellschaftlichen Leben überhaupt – zu schenken, um das Recht auf Teilhabe für alle Menschen sicherzustellen. Bibliotheken sind hier ein wichtiger Ort des Zuganges und der Vermittlung von Bildung.

Podiumsdiskussion »Zielgruppenorientierung: Wie können wir voneinander lernen oder erfinden wir das Rad immer wieder neu?«

So vielfältig wie unsere Gesellschaft, so vielfältig sind auch die Anforderungen, Erwartungen und Bedarfe verschiedener Zielgruppen an unsere Einrichtungen. Über die damit verbundenen Fragen und Erfahrungen sprach Dr. Anke Quast (UB der TU Berlin, Mitglied der dbv-Kommission) mit Britta Schmedemann (Stadtbibliothek Bremen), Dr. Claudia Streim (Herzogin Anna Amalia Bibliothek Weimar), Christiane Felsmann (dzb lesen Leipzig, Mitglied der dbv-Kommission) und Sina Menzel (UB der TU Berlin) am 25. Mai 2023 in der Eilenriedhalle B.

Durch die Diskutantinnen auf dem Podium kamen unterschiedliche Aspekte von Zielgruppenorientierung zur Sprache. So sei es ein Unterschied, ob eine Serviceleistung für oder mit einer Zielgruppe entwickelt werde; die Akzeptanz und Wertschätzung für Angebote steigen, wenn Bibliothek und Nutzer*innen gemeinsam handeln. Es ist aber auch immer zu bedenken, dass keine Bibliothek nach dem Motto »Wünsch Dir was« agieren kann, sondern deren Möglichkeiten zu bedenken sind. Auch das Gewinnen neuer Zielgruppen durch erweiterte, zeitgemäße Formate wurde thematisiert. Bibliotheken benötigen demnach beständig Impulse, um sich – neben der Kontinuität und Verlässlichkeit von Angeboten – neu auszurichten und veränderte Bedarfe zu erkennen. Folglich ist ein agiles Bibliotheksteam gefragt, das sich diesen permanenten Veränderungsprozessen stellt. Und so manche Fortbildungsformate sind in manchen Einrichtungen verpflichtend, wie beispielsweise Diversity-Schulungen oder ein Onboarding Barrierefreiheit, wenn neue Kolleg*innen starten. Sich den Ängsten und Fragen zu stellen, eine Fehlerkultur zu entwickeln und anderen Personen gegenüber empathisch zu sein, durch all das können Erfolgsmomente entstehen und das Selbstverständnis von Bibliotheken sowie die Selbstwirksamkeit von Bibliotheksmitarbeiter*innen gestärkt werden. An dem spannenden Gespräch, bei dem die Diskutantinnen aus ihrem breiten Erfahrungsschatz offen und engagiert berichteten, nahmen etwa 200 Personen teil.

»Voll engagiert und kompetent«

Am 24. Mai 2023 stellten wir unsere Kommission sowohl am Stand der Kommissionen als auch als eine von 14 dbv-Kommission im sogenannten »Freiraum« vor. Der Austausch mit den Kolleg*innen der anderen Kommissionen, ihre Arbeitsfelder und Ziele sind für uns immer wieder bereichernd.

Wir danken nochmals allen Personen auf das Herzlichste, die uns in diesem Jahr tatkräftig mit ihren Ideen, Positionen und Vorschlägen unterstützt haben. Und bereits jetzt überlegen wir, welche Themen wir im kommenden Jahr bei der 112. BiblioCon in Hamburg platzieren werden. Auch darum wird es bei unserem morgen beginnenden, zweitägigen Kommissionstreffen in Berlin gehen. Wir halten Euch & Sie auf dem Laufenden.

Die „andere“ Bibliotheks-App, Beitrag von Maike Lins, Leiterin des Sachgebietes Digitale Services der Stadtbüchereien Düsseldorf

Seit November 2022 können Bibliotheksbesuchende in der Zentralbibliothek der Stadtbüchereien Düsseldorf eine neue App nutzen. Die „Stadtbüchereien Düsseldorf App“ sorgt vor Ort für ein besonderes Erlebnis: die App eröffnet eine neue, virtuelle Nutzungsebene, indem sie den Ort Bibliothek mithilfe der Augmented Reality (AR) Technologie um virtuelle Elemente erweitert. Diese dienen Nutzenden dazu, sich durch die Bibliothek leiten zu lassen – zu Räumen, Veranstaltungsorten oder Medienstandorten – oder eigene Aktivitäten im Raum digital sichtbar und auffindbar zu machen.

Seit November 2022 ist die App in der „Bibliothek des Jahres 2023“ im Einsatz

Idee und Strategie

Die Idee zu einer App entstand bereits 2018, mit Teilnehmenden eines Pen & Paper Hackathon im Rahmen der Smart City Challenge[1]. Teilnehmende aus Bereichen Web-Programmierung, Kommunikation und Kulturwissenschaften bearbeiteten das Thema aus der Kundensicht und entwickelten einen ersten Funktionsrahmen für eine App. Konkretisiert zu einem umsetzbaren Vorhaben, ausgearbeitet und verfeinert wurde der Impuls dann durch das Team der Zentralbibliothek Düsseldorf. Dies erfolgte innerhalb eines landesmittelgeförderten Projekts erfolgen, das mithilfe einer Gruppe von Expert*innen die umzusetzenden Elemente einer groß angelegten Digitalstrategie festlegte.
 
Zum damaligen Zeitpunkt war die Ende 2021 neu eröffnete Zentralbibliothek der Stadtbüchereien Düsseldorf noch in der Bauphase und sollte mithilfe dieses vorbereitenden Projekts und der dann folgenden Umsetzungsphase dazu beitragen, die Zentralbibliothek zu einem Innovationsträger für digital-analoge Strategien zu positionieren, ein Leuchtturm aktueller Bibliotheksplanung zu werden und den erwarteten hohen Kundenanforderungen zu genügen.
Die Entwicklung verschiedener neuer digitaler Self Services ein wichtiger Ankerpunkt des Gesamtangebots im neuen Haus.

Umgesetzt wurden die geplanten Bestandteile in den Jahren 2020 bis 2023. Dank der Förderung durch das Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen wurde hier ein vielteiliges Portfolio an neuen Diensten realisiert, deren Mittelpunkt die App bildet.[2]

Der Slogan der Zentralbibliothek lautet „Menschen, Bücher, Räume“. Die App deckt inhaltlich Funktionen für alle diese Elemente ab: die Orientierung in der weitläufigen Bibliothek, das Finden von Veranstaltungen und Räumen, das Erleben des Ortes und Treffen von Menschen stehen im Zentrum der Funktionen. Auch ein zusätzlicher Zugang zur Reservierung von Lernräumen oder 3D-Drucker sowie die Nutzung des Chatbots der Stadtbüchereien werden über die App möglich sein.

Die große Besonderheit:
Die Funktionen sind mit dem Gedanken „hier und jetzt“ konzipiert worden – die App erschließt den Raum und fördert Interaktion von Menschen, die sich jetzt gerade, im Moment des eigenen Aufenthalts, dort befinden.

Der vornehmliche Gedanke bei der Entwicklung:
Ein Angebot mit aktuellen Technologien zu schaffen, das den Bibliotheksraum digital erlebbar macht und gewohnte Services mit neuen ergänzt. Datensparsamkeit, möglichst barrierearme Nutzung und Einfachheit stehen bei allen Funktionen im Mittelpunkt. Auf die Abbildung klassischer Dienste wie einem Online-Katalog wird dabei ganz bewusst verzichtet.

Die App im Einsatz

Kernfunktionen

Die Grundfunktionen der Anwendung sind

  • Orientierung und Navigation im Raum,
  • Aktivitäten: Begegnen und Kommunizieren,
  • Animationen: Entdecken und Erleben.
     

Bestimmendes Element der App ist die Nutzung von Augmented Reality (AR) für alle Kernfunktionen.

Augmented Reality bedeutet, dass eine reale Umgebung, betrachtet durch die Kamera eines Mobilgeräts, durch Computerelementen angereichert wird. In der Stadtbüchereien Düsseldorf App blickt man „live“ in den Raum der Zentralbibliothek, und es werden zusätzliche Informationen wie Navigationspfeile oder Animationen in das Kamerabild eingeblendet. Die virtuellen Elemente sind dabei an den jeweiligen Kontext angepasst: an verschiedenen Orten im Raum gibt es unterschiedliche Animationen oder bewegte 3D-Bilder.

Exkurs: Technologie

Die Technologie, die dies erreicht, ist ein Alleinstellungsmerkmal: Das Entwicklerteam der Firma Exponential Dimensions bediente sich des Software Development Kit der finnischen Firma Immersal©; dieses stellt alle Tools bereit, um mit Methoden der Photogrammmetrie ein digitales Abbild des Bibliotheksraums zu schaffen: Aus Scandaten entsteht ein virtueller Zwilling. Innerhalb dieses Daten-Raums werden Räume, Medienstandorte, Zusatzinformationen und Animationen von den Entwicklern verortet und so für die AR-Sicht an bestimmten Punkten verfügbar gemacht.

Damit sich Nutzende mit ihren Geräten durch die Bibliothek navigieren lassen können, ist es erforderlich, dass die App die jeweilige Position des verwendeten Geräts im Raum bestimmen kann. Für diese Lokalisierung und Identifikation der Position wird als technische Infrastruktur die Multiplayer-Engine des Herstellers Photon verwendet. Diese erlaubt es, über die Vergabe von anonymisierten IDs auf datensparsame Art Position verschiedener Geräte entweder zueinander (bei der Funktion Aktivitäten) oder zu Räumen oder Animationen bestimmen.

Exponential Dimensions nutzt in der Zentralbibliothek damit aktuellste Technologie, die sowohl innovativ als auch experimentell ist. In dieser Größenordnung ist sie zu diesem Zweck zuvor noch nicht benutzt worden, so dass die Stadtbüchereien damit Neuland betreten haben – und dies nicht nur für die Bibliothekswelt.

Dies hatte seine ganz eigenen Herausforderungen: während der Entwicklungszeit erforderte es ein hohes Maß an Kreativität, Lösungsorientierung und Flexibilität bei allen Projektbeteiligten, ebenso wie ausgiebiges Testen und Ausprobieren. Dies beinhaltete auch das Testen von Menü und Funktionen mit zukünftigen Nutzenden, um ein attraktives und ein für möglichst viele Nutzergruppen leicht zugängliches Angebot zu schaffen.

Die Funktionen im Detail

AR-Kernfunktion Navigation
Die Navigationsfunktion ist das wesentliche Element in der App. Sie dient Nutzenden zur Orientierung im Raum und hilft beim Finden von Signatur- und Themenstandorten, Räumen und Veranstaltungsorten.

Über die Auswahl eines Raums aus einer bebilderten Übersicht, durch Eingabe einer Signatur oder eines Themas wird die Navigationsfunktion aktiviert und leitet zum entsprechenden Ort. Bei aktiver Navigation wird auf dem Gerätebildschirm ein beweglicher Pfeil eingeblendet, der den Weg weist; als begleitendes Element führt ein Avatar des humanoiden Roboters Pixi Pepper die Nutzenden zum gesuchten Ort und teilt dort mit, dass man angekommen ist. (s. folgendes Bild)

Die navigierbaren Bereiche und Themen speisen sich aus den Inhalten der Klassifikation und wurden für diesen speziellen Einsatzzweck überarbeitet. Die Prämisse war hier, die Kundensicht einzunehmen und verständliche Begriffe zu verwenden. Zur Anpassung der hinterlegten Begriffe hat das Team Zugriff auf ein webbasiertes Verwaltungsportal.

Raumauswahl, aktive Navigation, Empfang am Zielort

AR-Kernfunktion Aktivitäten

Die Funktion Aktivitäten schafft per App eine Möglichkeit der Vernetzung, belebt den Ort der Bibliothek als Treffpunkt, befördert Kommunikation und das aktive Schaffen von Netzwerken. Hiermit hat jede*r Nutzende die Möglichkeit, per App ein Gesuch oder Angebot in den Raum der Bibliothek zu setzen und sich für andere damit sichtbar und erreichbar zu machen. Das kann z.B. die Suche nach einem zweiten Schachspielenden, ein Aufruf an Lernpartner*innen oder der Wunsch nach Austausch zu einem aktuellen Buch sein.
Wer so ein Gesuch eingestellt hat, aktiviert die Einblendung eines AR-Diamanten am eigenen Standort, den andere im Bibliotheksraum entdecken können. Ebenso ist das Erkunden der aktuellen Aktivitäten über eine Liste möglich. Eine Blacklist im Hintergrund stellt sicher, dass unerwünschte Begriffe nicht verwendet werden können. Eine Meldefunktion unterstützt Nutzende dabei, auffällige Aktivitäten beim Bibliotheksteam zu melden.

AR-Aktivitätsmarker, Aktuelle Aktivitätenliste, Aktivität aus- und einschalten

AR-Kernfunktion Animationen

Ein Teil des App-Erlebnisses sind nicht nur funktionale Einheiten, sondern auch Erlebnis- und Überraschungsmomente, die die Bibliothek zu einem noch besondereren Ort machen. An verschiedenen Stellen der Zentralbibliothek finden Nutzende beim Rundgang mit der App AR-Animationen und zusätzliche Informationen: ein Sonnensystem im Eingangsbereich, der fließende Rhein und ein Wald mit Tieren in der Kinderbibliothek, oder ein schmetterlingsumschwärmter Baum im Lesefenster. Diese betonen das spielerische Element der App und laden ein, die Bibliothek zu erkunden. Auch bieten sie für Personen, die bisher noch nicht mit AR-Effekten vertraut sind, die Option, sich in vertrauter und geschützter Umgebung mit den Möglichkeiten bekannt zu machen.

AR-Animationen: Panel, Sonnensystem, Schaltzentrale, Begehbarer Rhein, Waldszene in der Kinderbibliothek

Zur Vermittlung eigener Dienste oder anderer Informationen bieten die Animationen auch virtuelle Plakatwände an drei Stellen der Bibliothek. Das Team kann die Inhalte dieser Panels über das Verwaltungsportal eigenständig bestimmen. So gibt es beispielsweise auf einem Panel bei den Publikumszeitschriften, die Möglichkeit, aus der App heraus die digitalen Angebote zu erkunden. An anderen Stellen werden Inhalte zu gerade laufenden Ausstellungen vermittelt oder das Veranstaltungprogramm in der App zum Download angeboten. Auf den Panels wird der Inhalt über das Verwaltungsportal je nach Bedarf hinzugefügt, so dass gezielt auch Vermittlungsdienste und Informationenangeboten werden können.

Die Kernfunktionen werden ergänzt durch Zugänge zum Raumreservierungssystem, zum Chatbot und zu den Veranstaltungen in der Zentralbibliothek. Als weitere Funktionen bietet die App einen Raumplan der Zentralbibliothek mit Signaturgruppen und Liste mit den Standorten der Zweigstellen mit Link zur bevorzugten Karten-App.

Die AR-Kernfunktionen sind ausschließlich in den Räumen der Zentralbibliothek zu nutzen und können auch nur dort aktiviert werden. Alle weiteren Funktionen, die Nutzende im Menü finden, sind auch außerhalb der Räume zu nutzen.

Erfahrungen

Ein erfolgreiches Digitalprojekt wie die Bibliotheks-App lässt den gewünschten und notwendigen Imagewandel von Bibliotheken sichtbar werden und bricht in positiver Weise mit Erwartungen. Den gängigen Bibliotheksklischees wird so in der Zentralbibliothek im KAP1 mit der App als ein Element einer zeitgemäßen Digitalstrategie entgegengewirkt. Das dies gelungen ist, zeigt u.a. die internationale Anerkennung durch die Auszeichnung mit dem renommierten Auggie Award als „Best Consumer App“. Dieser Award ist die weltweit anerkannteste Auszeichnung der AR- und VR-Branche.

Die Erfahrungen zeigen, dass Nutzende sich über die modernen Funktionen der App erstaunt und begeistert zeigen, auch wenn immer einmal wieder mit der „klassischen Bibliotheks-App“ gerechnet wird. Gerade die Tatsache, dass unsere App mit den gängigen Services und Kontofunktionen keine Schnittmenge hat, sondern ganz für sich steht, macht es in Kundengesprächen aber leicht, das Spezielle der App zu vermitteln.

Trotz des intuitiven Designs und des eingebauten Tutorials, ist eine aktive Vermittlung aber nicht zu vernachlässigen. Ein Infostand im Eingangsbereich und regelmäßige Veranstaltungen zum Kennenlernen decken dies im Haus ab.
Ebenso ist auf das aktive Hinweisen an die Besuchenden im Rahmen der Gespräche an Info- und Servicetheken nicht zu verzichten. Dies setzt selbstverständlich voraus, dass das gesamte Bibliotheksteam inhaltlich an Bord ist und über Entwicklung und Änderungen auf dem Laufenden gehalten wird.

Die Entwicklung einer App, zumal in Hoch-Zeiten der Pandemie und parallel zu Bau und Umzug in die neue Zentralbibliothek, barg an vielen Stellen Herausforderungen. Durch den angestrebten hohen Innovationsgrad handelt es sich bei der Stadtbüchereien App um eine von Grund auf neu entwickelte Anwendung, die nicht auf vorhandene Services oder Systeme aufbaut. Dadurch

ergab sich nicht nur eine verstärkte Notwendigkeit zu erproben, sondern auch ein erhöhter Kommunikationsbedarf. Transparenz, Klare Kommunikation, Wissensmanagement, und nicht selten Penetranz und Hartnäckigkeit sind von allen Seiten unbedingt vonnöten, um im Spektrum der vielseitig in Verbindung stehenden neuralgischen Stellen Bibliothek, IT, Rechenzentrum, städtische Ämter, Dienstleister, Entwicklerfirma und vielen mehr das Ziel aufrecht zu erhalten und die Veröffentlichung der Anwendung zeitgerecht zu ermöglichen.

Die innovativen Elemente der „Stadtbüchereien Düsseldorf App“ erfordern für die Nutzung von AR aktuelle Hardware. Während Mindestvoraussetzung die Betriebssystem iOS 10 und Android 9 sind, und ein Blick auf Marktdurchdringung vermuten lässt, dass eine kritische Menge an Menschen über diese verfügt, kommt es erfahrungsgemäß – trotz der Verfügbarkeit auf über 700 Gerätemodellen – im Alltag doch recht häufig vor, dass Nutzende die App nicht installieren können. Das kann auch Geräte betreffen, die grundsätzlich die Mindestvoraussetzung an Betriebssystem und mögliche AR-Nutzung erfüllen. Ob ein Gerät kompatibel ist, hängt allerdings auch von Faktoren wie der Qualität der verbauten Kamera, den Bewegungssensoren, der Leistungsstärke des Prozessors und der Designarchitektur der Hardware ab.

Im Hinblick auf die von der Zielgruppe verwendeten Geräte ist die angestrebte Idee, eine „Mainstreamer“-App zu sein, wohl erst in einigen Jahren zu erfüllen.

Hier ist die App tatsächlich ihrer Zeit voraus.

Kontaktdaten:

Maike Lins, Leiterin des Sachgebietes Digitale Services der Stadtbüchereien Düsseldorf, Mail: maike.lins@duesseldorf.de


[1] Die „Smart City Challenge“ 2018 in Düsseldorf war eine Praxiskonferenz mit anschließendem Pen & Paper Hackathon zum Megathema Smart City. Dabei stellten Städte, Infrastrukturbetreiber und Technologieanbieter eigene Problemstellungen vor. Gemeinsam mit Startups, Wissenschaftlern und Techies entwickelten Sie hierfür in Teams konkrete Lösungen (Produkte, Dienstleistungen, Geschäftsmodelle).

[2] Das gesamte Landesprojekt der Digital-Strategie der Zentralbibliothek im KAP1 ist im Blog der Fachstelle Öffentliche Bibliotheken NRW abrufbar: https://fachstelle-oeffentliche-bibliotheken.nrw/2023/08/duesseldorf-mehr-zentralbibliothek-durch-digitale-self-services/ (Zuletzt aufgerufen am 30.08.2023).