In der kleinen Blog-Serie „Im Interview zu User Experience“ berichten Kolleginnen aus verschiedenen Berliner Bibliotheken über ihre Erfahrungen mit User-Experience-Methoden im Arbeitsalltag.

Am 25. Januar 2023 startet die kleine Blog-Serie: „Im Interview zu User Experience“ – UX-Expert*innen berichten über ihre individuellen Erfahrungen mit User-Experience Methoden im Arbeitsalltag. Zum Einstieg ins Thema bietet dieser Blogbeitrag einen kurzen Überblick.

Ein Beitrag von Martha Ganter (Stabsstelle Innovationsmanagement und Kundenmonitoring, Universitätsbibliothek der Technischen Universität Berlin)

User Experience – Was ist das?

UX heißt übersetzt Nutzererfahrung oder Nutzererlebnis. Es geht dabei primär um Erfahrungen der Nutzer*innen mit Produkten und Dienstleistungen. Die ISO-Norm 9241-210:2011 definiert UX als „Wahrnehmungen und Reaktionen einer Person, die aus der tatsächlichen und/oder der erwarteten Benutzung eines Produkts, eines Systems oder einer Dienstleistung resultieren.“[1]

So umfasst das UX alle Erfahrungsebenen visueller, auditiver, taktiler oder emotionaler Art; nicht nur die reine Usability, den aktiven Nutzungsprozess. Hier spielen alle Berührungspunkte eine wichtige Rolle, die auch im Vorfeld oder im Nachhinein liegen können.

UX als Handlungsfeld kommt ursprünglich aus dem IT-Bereich und wird genutzt, um Produkte und Dienstleistungen nutzerzentriert zu verbessern und (weiter) zu entwickeln. So gewinnt UX auch im Bibliothekswesen in den letzten Jahren immer mehr an Bedeutung, weil es einen zentralen Dreh- und Angelpunkt bildet, um Nutzer*innen und deren Bedürfnisse besser zu verstehen.

Wie kann User Experience sinnvoll genutzt werden?

Da UX die Bedürfnisse der Nutzer*innen auf allen Ebenen abbildet, ermöglicht es die Entwicklung, Verbesserung und passgenaue Optimierung von Produkten und Dienstleistungen, sofern Nutzer*innen früh in die Prozesse eingebunden werden.

Ein Beispiel für Bibliotheken ist die Befragung von Nutzer*innen in kurzen Interviews, etwa: „Warum sind Sie heute in der Bibliothek?“ oder „Würden Sie uns kurz zeigen, wie Sie die Bibliothek nutzen?“. Darüber hinaus können neue Produkte oder Dienstleistungen, z. B. ein Videochat oder ein Makerspace auf Nutzungsszenarien hin überprüft werden.

Je früher und detaillierter die Bedürfnisse der Nutzer*innen erfasst werden, desto zielführender die Entwicklung von Produkten und Dienstleistungen.

Neben den kurzen Interviews gibt es noch weitere Methoden, UX besser zu verstehen, die sich zumeist empirischen Forschungsfeldern der Befragung und Beobachtung zuordnen lassen. Von Vorteil ist, dass die meisten UX-Methoden stichprobenartig erfolgen können und keine zeitaufwändigen Vor- als auch Mit- und Nacharbeiten erfordern, weil sich bereits anhand kleiner Stichproben belastbare Aussagen treffen lassen.

Eignen sich User-Experience-Methoden für Bibliotheken?

UX-Methoden können dazu beitragen, gemeinsam mit den Nutzer*innen die Produkte und Dienstleistungen von Bibliotheken zu verbessern und weiterzuentwickeln.

Außerdem bietet UX die Chance, mit den Nutzer*innen ins Gespräch zu kommen und ein aktives Community Building zu betreiben. Dadurch wird sowohl der interne als auch externe Austausch gefördert und ein besseres Verständnis der unterschiedlichen Bedürfnisse geschaffen.

Einen Einblick in die Methodenvielfalt vermitteln die Experteninterviews mit den Kolleg*innen aus verschiedenen Informationseinrichtungen. Freuen Sie sich auf spannende Erfahrungen und Erlebnisse aus dem Arbeitsalltag.


[1] DIN e.V. (Hrsg.), DIN 9241-210:2011, 2011, S. 7.

Ein Beitrag von Rebekka Reichert, Volontärin der Universitätsbibliothek Weimar.

Am 10. November 2022 fand der dritte Workshop im Rahmen des Audits »Vielfalt gestalten« an der Bauhaus Universität Weimar statt.

Das Auditierungsverfahren wurde vom Deutschen Stifterverband konzipiert und findet über einen Zeitraum von zwei Jahren statt. Es wurde speziell auf deutsche Hochschulen und universitäre Forschungseinrichtungen ausgerichtet. Ziel des Auditierungsverfahrens ist es, »Strukturen, Instrumente und Maßnahmen zu konzipieren, um diverse Personengruppen in den Hochschulalltag zu inkludieren«.[1]

Um dieses Ziel zu erreichen, werden die Hochschulen von externen, qualifizierten Auditor*innen begleitet. Zudem werden Arbeitsgruppen zu verschiedenen Themenbereichen gebildet und es finden vier bis fünf hochschulinterne Workshops statt. In den Workshops wird den Mitgliedern aller Statusgruppen (Studierenden, Verwaltungsmitarbeiter*innen, Lehrbeauftragten, wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen und Professor*innen) die Möglichkeit gegeben, sich einzubringen. Eine rege Beteiligung von möglichst vielen Universitätsmitgliedern mit ihren unterschiedlichen Hintergründen und Erfahrungen ist dabei essenziell, um strukturelle Barrieren und Diskriminierungen aufzudecken und abbauen zu können.

Mit der Teilnahme an einem solchen Auditierungsprozess setzen neben der Bauhaus-Universität Weimar sieben weitere Thüringer Hochschulen, darunter auch die Hochschule für Musik Franz Liszt Weimar – in Thüringen, wo die AfD bei der letzten Bundestagswahl einen hohen Anteil an Stimmen erhielt – ein wichtiges Zeichen für Vielfalt und gegen Diskriminierung.

Auch in Weimar selbst kam und kommt es immer wieder zu schockierenden Vorfällen: Regelmäßig werden Stolpersteine mit grauer Farbe übermalt, Ausstellungen oder Plakate zerstört, die sich mit Rassismus und Rechtsextremismus beschäftigen oder für Vielfalt einsetzen.[2]

Bei dem dritten Workshop des Auditierungsprozesses in Weimar wurde reflektiert, welche Fortschritte an der Bauhaus-Universität Weimar durch die Impulse der ersten beiden Auditworkshops bereits erzielt worden sind. Dazu gehören beispielsweise die Einrichtung eines Diversitätsfonds zur Unterstützung von Projekten, die sich mit Diversität, Chancengleichheit oder Antidiskriminierung auseinandersetzen, der Ausbau der digitalen Barrierefreiheit sowie die Einrichtung von WCs für alle Geschlechter. Die Teilnehmer*innen des Workshops begrüßten die bisher erzielten Fortschritte. Sie verwiesen jedoch auch die großen Herausforderungen, denen sich die Bauhaus-Universität Weimar noch stellen muss auf dem Weg zu einer diskriminierungskritischen, diversitätssensiblen Universität.

Das Feedback der Teilnehmenden aus den Auditworkshops fließt nun in die Konzeption und Formulierung einer spezifischen Diversitätsstrategie für die Bauhaus-Universität Weimar ein.

Wir können andere Universitäten und Forschungseinrichtungen in Deutschland nur ermutigen, sich einem solchen Auditierungsprozess anzuschließen, denn durch diesen Prozess werden Hochschulen als Orte der Vielfalt und des Austausches gestärkt.

Weitere Informationen: Bauhaus-Universität Weimar: Audit »Vielfalt gestalten«


[1] Diversity Audit | Stifterverband [Stand: 09.01.2023]

[2] https://www.mdr.de/nachrichten/thueringen/mitte-thueringen/weimar/nazi-pavillon-umgekippt-100.html [Stand: 09.01.2023]

Ein Beitrag von Martin Renz, Leiter der Stadtteilbibliothek Bremen-Vegesack

Einige Wochen nachdem ich meinen Dienst als Leiter der Stadtbibliothek Bremen-Vegesack angetreten hatte – meine erste Stelle in einer Öffentlichen Bibliothek – kam die Lokalzeitung auf mich zu: Sie war in der stressigen Vorweihnachtszeit auf der Suche nach den Orten der Stille im Stadtteil. „Wer einen ruhigen Ort sucht, der findet ihn bei uns“, erklärte ich dem Reporter damals voller Überzeugung.

Das ist nun fast 10 Jahre her. Damals hatte ich das Stereotyp einer Öffentlichen Bibliothek, das ich mit in den neuen Job gebracht hatte, noch nicht ausreichend mit der Realität abgeglichen. Inzwischen weiß ich es jedenfalls besser. Inzwischen hat sich auch einiges geändert. Zum Beispiel läuft in der Stadtteilbibliothek in Vegesack seit über einem Jahr Hintergrundmusik. Und das kam so:

Vor etwa zwei Jahren wurde das Bibliotheksgebäude umfänglich saniert. Unter anderem wurde in diesem Zuge auch eine neue Lautsprecheranlage installiert, die eigentlich für die üblichen Durchsagen gedacht war. Während der sanierungsbedingten Umzüge und im ersten Corona-Lockdown, als die Bibliothek für unsere Nutzer*innen geschlossen und das Bibliothekspersonal allein in seinen „heiligen Hallen“ war, haben mein Team und ich uns daran gewöhnt, dass beim Arbeiten auch Musik nebenher lief. Die Frage, ob auch unsere Nutzer*innen es gut finden würden, wenn in der Bibliothek Musik liefe, stand sozusagen schon im Raum. Also begannen wir zu experimentieren. Wir ließen probehalber verschiedene Arten von Musik – von ganz sanfter Klavierklassik über poppigen Gitarrenfolk bis hin zum „Pride Day“-Partymix – über die Lautsprecheranlage laufen und warteten ab, was passieren würde.

Einerseits haben wir für dieses Experiment ordentlich Kritik bekommen. Es waren vier oder fünf ältere Menschen, also nur wenige, die sich dafür aber umso empörter über die Hintergrundmusik beklagten. Eine Bibliothek habe ein Ort der Stille zu sein, war ihr zentrales Argument. Inzwischen wusste ich jedoch, was mein Team schon längst wusste: Diese Bibliothek ist vielleicht mal in der Mittagszeit für eine Weile ein Ort der Stille. Aber faktisch ist sie das so gut wie nie. Vormittags jubeln die Kitagruppen und Schulklassen durch die Regale und nachmittags brummt der Laden sowieso. Die stereotype „Knolle Murphy“-Bibliothek, in der man sich bloß leise flüsternd und auf Zehenspitzen bewegen darf, gab es in unserem Stadtteil nicht. Andererseits haben wir auch hin und wieder Menschen beobachtet, die die Beschallung offenbar genossen: Erwachsene, die mitsummten, Jugendliche, die sich offenbar wahnsinnig über bestimmte Lieder freuten, und gelegentlich wurde sogar die eine oder andere wippende Hüfte gesichtet.

Es gab also offenbar ein paar Leute, die unser Experiment gut fanden, und es gab ein paar Leute, die es überhaupt nicht gut fanden. Und es gab viele Nutzer*innen, an denen wir rein gar nichts Außergewöhnliches beobachten konnten. Sie kamen wie immer in die Bibliothek, stöberten wie immer in den Beständen – und äußerten sich einfach nicht von sich aus zur Hintergrundmusik. Nahmen sie es widerwillig aber schweigend hin? Oder waren das alles stille Genießer*innen? War das – für uns große – Thema mit der Musik der Mehrheit unserer Nutzer*innen womöglich egal?

Wir beschlossen, aktiv Kund*innen-Feedback einzuholen. Gut sichtbar im Eingangsbereich stellten wir für einige Wochen ein Flipchart, darauf eine Skala, die von einem glücklichen zu einem unglücklichen Smiley reichte. Wir legten einige Bögen bunter Klebepunkte dazu und baten unsere Nutzer*innen, einen Punkt an die Stelle auf der Un-/Glücks-Skala zu kleben, an der sie sich selbst im Hinblick auf die Hintergrundmusik verorteten. Daneben stand noch eine Box für Freitext-Rückmeldungen.

Im Ergebnis hatten wir lediglich sechs Punkte in der Mitte der Skala. Offenbar war das Thema vielen doch nicht so egal, wie es den Anschein hatte. Im Gegenteil, es polarisierte: 76 Punkte klebten am unglücklichen Ende der Skala – und nochmal exakt 76 Punkte beim glücklichen Smiley. Ich hatte das Gefühl, kein Stückchen schlauer zu sein als zuvor. Wenn die Meinungen so dermaßen auseinandergingen und sich noch nicht mal ansatzweise eine Mehrheit dafür oder dagegen andeutete, wie sollte ich da zu einer salomonischen Entscheidung kommen?

Die Freitextantworten unserer Nutzer*innen waren dabei auch nicht besonders hilfreich: Celine, sechs Jahre, wünschte sich Kinderlieder. Andere wünschten sich Mark Forster und Mike Singer. Es gab verschiedene Variationen von „finde ich doof“ und „finde ich toll“, die lediglich dem entsprechenden Klebepunkt sekundierten. Eine Rückmeldung bestand in dem Kompromissvorschlag, alle 15 Minuten zwischen Musik an und Musik aus zu wechseln. Das schien mir allerdings ein bisschen hektisch. Aber könnte ein Kompromiss, bei dem abwechselnd den einen Tag Musik spielte und am folgenden Tag nicht, die Lösung sein? Dann hätten wir allerdings heute die eine Hälfte unserer Nutzer*innen glücklich gemacht, die andere Hälfte unglücklich, und morgen wäre es dasselbe, nur anders herum.

Zur Entscheidung verholfen hat mir dann die Erkenntnis, dass wir nicht jede*n glücklich machen können. Das geht einfach nicht. Und das ist schon jetzt nicht so. (Trotz des unterschwelligen Anspruchs, „alles für jeden“ anbieten zu wollen.) Wenn wir Jazz-CDs aus dem Bestand nehmen, die nur noch selten von ganz wenigen Spezialisten nachgefragt werden, oder wenn wir zum Beispiel lieb gemeinte, aber für uns unbrauchbare Mediengeschenke ablehnen müssen, machen wir Menschen unglücklich.

Darauf folgte die nächste Erkenntnis, dass diese Bibliothek, die mir vor einigen Jahren anvertraut wurde, inzwischen meine ganz eigene Handschrift trägt: Welche Schwerpunkte setzen wir im Bestand? Wie präsentieren wir welche Medien? Wie vernetzen wir uns mit wem und wie gestalten wir unsere Kooperationen? Welche Außenwirkung und welche Kundenansprache streben wir an? Wie gestalten wir das Miteinander im Team? Welchen Führungsstil lebe ich und wie ist die Atmosphäre im Haus? Mir wurde klar: In jeder Ecke dieser Bibliothek steckt auch ein Stück von mir.

Und wenn ich diesem Haus ohnehin schon mit meiner täglichen Arbeit meinen Stempel aufdrücke, dann müsste ja auch – mal ohne Schere im Kopf – die Frage erlaubt sein: Wohin soll es eigentlich gehen mit dieser Bibliothek? Wofür soll sie stehen? Was ist meine Vision? Zugegeben, diese Frage verlangte mir zunächst eine gute Portion Phantasie ab. Aber recht schnell bekam diese Vision greifbare Konturen: In der besten aller Welten steckt diese Bibliothek voller Leben. Sie ist vielfältig, divers, inklusiv, offen, freundlich, aufgeschlossen. Sie ist ein Ort für Austausch und Inspiration, vielleicht auch Konfrontation, ein Ort zum Entdecken, zum (Mit-)Gestalten, ein Ort für Kreativität, zum Spaß haben und zum Wohlfühlen. Ein Ort, der spannend ist. Ein Ort, wo immer was los ist.

Und als mir das erstmal klar war, war die Frage, ob zu so einem Ort Musik passt, auch schnell beantwortet: Ja, selbstverständlich. Mehr noch: Würde an so einem Ort keine Musik spielen, würde etwas fehlen.

Seitdem läuft in der Stadtbibliothek Bremen-Vegesack also Hintergrundmusik. Wir sind unserer Vision einen Schritt näher gekommen und nein, die Besuchszahlen sind seitdem auch nicht um die Hälfte eingebrochen: Eine Hälfte unserer Nutzer*innen ist damit sehr glücklich. Die andere Hälfte hat sich daran gewöhnt und akzeptiert es immerhin. Was mein Team und ich dabei gelernt haben, ist, wie hilfreich es sein kann, ein Bild davon zu haben, wie unsere Bibliothek idealerweise sein sollte, wie sie sich „anfühlen“ soll, und welche Atmosphäre wir in unserem Haus eigentlich schaffen wollen. Am Ende ergeben derartige Überlegungen bestenfalls eine Art Lösungsfolie, die sich über knifflige Entscheidungen legen lässt. Wir können uns fragen, welche der Optionen, die uns zu Verfügung stehen, am meisten auf unsere Vision einzahlt – und uns dann mit breiter Brust genau für diese entscheiden.

Kontaktdaten:

Martin Renz, Stadtteilbibliothek Bremen-Vegesack, Mail: martin.renz@stabi-hb.de