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In der vergangenen Wochen haben wir in diesem Blog einen ersten Eindruck vom Schweizer Bibliothekskongress veröffentlicht. Inzwischen ist der Kongress vorbei und es ist Zeit für einen kleinen Rückblick.

Die auffälligsten Unterschiede zu den deutschen Bibliothekartagen und Bibliothekskongressen waren tatsächlich der bereits beschriebene Umgang mit der Sprachenvielfalt und die deutlich geringere Anzahl der Teilnehmer. Man kennt sich überwiegend persönlich im schweizerischen Bibliothekswesen.

Damit sind allerdings auch die augenfälligsten Unterschiede bereits genannt. Schaut man sich die in den Vorträgen und Workshops genannten Themen an, kann man sich sehr zuhause fühlen. Ein Hörsaal war für einen ganzen Tag Themen rund um RDA reserviert. An anderer Stelle gab es eine Vortragsreihe unter der Überschrift ‚Tag der öffentlichen Bibliotheken‘. Ein interessanter Vortrag stellte den Stand des Projekts Swiss Library Service Platform vor: ‚Das geplante Serviceangebot wird neben technischen Produkten (Solutions) auch Standards und Normierungen (Standards) sowie allgemein bibliothekarische Verbunddienstleistungen (Services) umfassen‘ (Website SLSP). Allerdings ist es wohl auch in der Schweiz nicht ganz einfach, gemeinsame Lösungen zu realisieren. Informationskompetenz, Datenmanagement und Ethikfragen waren Themen weiterer Vorträge.

Man trifft auch unter den Vortragenden durchaus heimische Bekannte, so wurde der Schlussvortrag von Prof. Dr. Konrad Umlauf vom IBI der Humboldt Universität Berlin gehalten und Heidrun Wiesenmüller sprach über die ‚Baustelle RDA‘. Umlaufs Thema ‚Innensichten, Außensichten, Einheit und Vielfalt‘ würde auch ganz gut als Überschrift unserer Bibliotheksreise funktionieren. Wir haben in den Tagen in Luzern interessante Einblicke in die Innensichten des Schweizer Bibliothekswesens erhalten, aber in der Kürze der Zeit unsere Außensicht sicher nicht ablegen können. Vielfältig waren die Vorträge, zeigten aber eine deutliche Übereinstimmung mit den Themen deutscher Bibliothekartage. In vielen Bereichen kommt man hier wie dort zu ‚einheit‘-lichen Schlussfolgerungen.

Lohnt sich nun rückblickend gesehen ein Ausflug über die Grenze aus fachlicher Sicht? Teuer ist’s, das steht außer Frage. Alleine der Kongressbeitrag schlägt mit über 300 Euro (für anderthalb Netto-Kongresstage!) zu Buche, die weitere Anreise, die Unterkunft und das hohe Preisniveau in der Schweiz sind einzurechnen. Entschädigt wurden wir durch den wunderschönen Kongressort, die herzliche Aufnahme durch die Schweizer Kollegen, viele interessante Gespräche und ja, auch einmal ein Heraustreten aus unserem gewohnten Kongressumfeld. Es entspannt schon etwas, wenn man mitbekommt, dass auch andernorts ähnliche Probleme diskutiert werden wie bei uns. Auch spielt bei den Vorträgen, so wenig sie inhaltlich von Vorträgen bei deutschen Kongressen abweichen, immer auch ein landesspezifischer Blickwinkel mit hinein, der die Thematik noch einmal anders beleuchtet. Also, mal ganz abgesehen von der Tatsache, dass auch noch das Wetter schön war, meinen wir durchaus, dass sich eine Stippvisite in die Schweiz auch aus fachlicher Sicht lohnen kann! Informationen über Termine (z. B. Montreux vom 29. August bis 1. September 2018) und Anmeldeformalitäten erhält man auf der Webseite des Verbandes Bibliothek Information Schweiz.

Eine einfache Frage, aber eine Antwort lässt sich nur schwer finden. Sofort denkt man an komplexe sozialwissenschaftliche Ansätze. Dass das nicht sein muss, hat Karsten Schuldt von der HTW Chur in seinem Vortrag gezeigt, der eigentlich gar kein Vortrag war. Für einen Kongressbeitrag ging es lebhaft zu, kaum jemand saß mehr auf seinem Platz. An verschiedenen Stationen konnten sich die Teilnehmer und Teilnehmerinnen zu sechs im Eingangsstatement kurz angerissenen Methoden austauschen.
Dass alle Methoden funktionieren, haben Studierende der HTW Chur in ihren Bachelorarbeiten gezeigt. Nähere Informationen bei Karsten Schuldt karsten.schuldt@htwchur.ch

Zwei wollen wir hier herausgreifen:

Cognitive Maps
Kurz beschrieben geht es darum herauszufinden, wie einzelne Bereiche der Bibliothek von den Kunden wie wahrgenommen werden. Dazu werden Pläne der Bibliothek kopiert und verteilt. Mit Adjektiven und Farben visualisieren die Besucher in die Pläne ihre Wahrnehmungen. Beim Übereinanderlegen mehrerer Pläne können so schnell Lieblingsplätze oder ‚tote Ecken‘ und Bedürfnisse unterschiedlicher Nutzergruppen identifiziert werden.
http://www.htwchur.ch/uploads/media/CSI_78_Dietiker.pdf

Count the traffic
Auch hier spielt der Grundriss der Bibliothek eine wichtige Rolle. Mit diesem Plan in der Hand gehen Beobachter durch die Bibliothek und erfassen die Nutzeraktivitäten zu bestimmten Zeiten. Gehen, stehen, sitzen, alleine oder als Gruppe, lesen, schreiben – alles wird gezählt. Diese Methode verhilft zu einem grundsätzlich besseren Verständnis der Vorgänge in der Bibliothek und kann darauf aufbauend zur Ressourcenplanung oder Reorganisation verwendet werden.
http://www.kundenorientiertebibliothek.de/themen/2/Count_the_Traffic.pdf

Mal über den Tellerrand schauen – das war die Idee, als wir zwei Mitglieder der Kommission beim Schweizer Bibliothekskongress angemeldet haben. Was läuft anders im Nachbarland, was ist ähnlich und was kommt uns von deutschen Bibliothekartagen und -kongressen bekannt vor? Überschaubar ist zunächst mal die Größe: ca. 500 TeilnehmerInnen haben sich angemeldet, man läuft häufiger denselben Leuten über den Weg. Überraschend sind die Sprachwechsel. Der Kongress wird immersiv abgehalten, d. h. jeder spricht in seiner Muttersprache. Das kann auch einmal bedeuten, dass der Vortrag auf deutsch gehalten wird und die Fragen französisch oder italienisch gestellt werden. Der Vortragenden kann dann wieder in seiner Sprache oder auch in englisch antworten.

Bei den Themen gibt es viele Überschneidungen. Interessant der Vortrag über die Fortschritte auf dem Weg zur Swiss Library Service Plattform – ein gemeinsames, landesweit übergreifendes Bibliothekssystem. Zu vielen uns bekannten Problemen kommen hier noch die verschiedenen Sprachen in der Schweiz dazu.

Karsten Schuldt von der HTW Chur stellt niedrigschwellige Methoden vor, um der Frage ‚Was tun Menschen wirklich in Bibliotheken‘ auf den Grund zu gehen.

Eine Session widmet sich der Informationskompetenzvermittlung. Vorgestellt werden die App der ZB Zürich und Bibliothekseinführungen mit der App Actionbound. Übrigens: eine Berliner Entwicklung!

Über diese und weitere Themen werden wir an dieser Stelle in den kommenden Tagen noch vertiefter berichten. Daneben ist natürlich Luzern eine ganz reizende Stadt, vor allem bei strahlendem Sonnenschein. Wir beschließen spontan, künftig den einen oder anderen Bibliothekartag durch einen Schweizer Kongress zu ersetzen.